Eine Ausfahrt mit der Palena (Bj. 2019) mit Elektroantrieb von AQAFORCE
In zeitloser Morgenstimmung gleiten wir über den See. Der Tag mit seinen Uhren, Kalendern, Linealen und Zahlen erreicht uns hier nicht. Wir schweben, solange wir wollen, einen schier unerschöpflichen Moment lang und mit freiem Kopf, zwischen Himmel und Wasser. Ein flüchtiger Gedanke an unser Ziel zerstiebt jauchzend im Flirren, im Glitzern, ins Blaue. Die Fahrt hat das Festland in eine gestrichelte Linie verwandelt, wie rasch hingetuscht die Farben am anderen Ufer, kaum mehr als ein Lidstrich unter dem offenen Horizont. So hebt sich der Blick.
Als wir unser energieautarkes Haus im UNESCO Naturerbe gebaut haben, im ruhigen Süden des Neusiedlersees an der ungarischen Grenze, wollten wir natürlich eine Möglichkeit finden, uns im See und über den See, mit einer Anbindung an den belebteren Norden, frei zu bewegen. Ein Elektroboot musste her, gespeist aus der Haus-Photovoltaik und mit einer Reichweite von über 50 Kilometern bei einer konstanten Geschwindigkeit von 43 km/h (ca. 23 Kn). Das gibt es nicht. Doch, hat er gesagt: Das Boot von Rivers and Tides (Jürgen Völker) und der Elektroantrieb von AQAFORCE (Klaus Lehmann). Leistung: unglaublich. Höchstgeschwindigkeit: schraubenabhängig.
Wir sind unterwegs in der Stille, unvermischt, vibrieren sanft in der Bewegung unseres unwahrscheinlichen Tempos, fliegen dahin über das Wasser, der Natur bewusst, in reiner Freude, denn wir haben die Sonne im Tank bei unserer Ausfahrt – und hinterlassen nichts: Hinter uns keine Abgase, nicht der brachiale menschlichen „Fußabdruck“, sondern allein der Ruf, der hohe Schwung der Möwen zwischen den Wolken, Unendlichkeitszeichen.
Die Sonne hat mit uns leichtes Spiel auf den Wellen, und das Boot samt Besatzung scheint den Aggregatszustand zu wechseln. Schon sind wir nicht mehr Körper, Holz und Haut, Berechnung und Streben, sondern in allem unbeschwert, mühelos, Emotion pur, eine Idee von freiem Geist und Endlosigkeit, berauscht von der Klarheit unserer Bewegung und der atemberaubenden Antwort der bis auf die elegant schweigenden Schwingen unserer Kielspur vollkommen unberührten Natur.
Etwas von der sprichwörtlich gewordenen „unerträglichen Leichtigkeit des Seins“ spiegelt sich in der Schönheit der perfekten Proportion. Verwandt der Leichtigkeit und Wendigkeit eines edlen Dressurpferds, das sich mit dem Gewicht einer Feder in den Zügel legt; es scheint ein Hindenken zu genügen, um die Richtung zu ändern.
Später, bei anspruchsvolleren Windstärken tanzen die Worte wie lustige Schaumkronen übers Papier. Man kann in voller Fahrt über die Wellen: diese Notizen leserlich schreiben. So sanft gleitet die Palena, dieses durch und durch unwahrscheinliche Boot, auch über wilderes Wasser. Aufgehoben sind wir, schweben in auf allen Ebenen und bis ins Detail austarierter Balance zwischen den Ufern. Die Linie, die das Heckwasser zieht: ein großer, wunderschöner Gedanke mit langem Atem. Noch immer versuchen wir, das Boot leerzufahren...